Die Gnadenkirche wurde am 19. Dezember 1961 im Norder Ortsteil Tidofeld eingeweiht. Sie ist der Nachfolgebau einer Barackenkirche, die für viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene einen wichtigen Ankerpunkt in der neuen Heimat darstellte.

Seit Ende der 1930er Jahre diente das Areal, auf dem heute die Gnadenkirche steht, der Kriegsmarine, den Seeestreitkräften der deutschen Wehrmacht, als Ausbildungs- und Durchgangslager. Nach der Kapitulation Nazideutschlands im Mai 1945 stand das Lager zunächst unter Verwaltung der britischen Besatzungsmacht und diente bis Ende 1945/Anfang 1946 als Internierungs- und Entlassungslager für deutsche Kriegsgefangene.

Um die Aufnahme der vielen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten bewerkstelligen zu können, richtete die Stadt Norden auf dem inzwischen freigegebenen Gelände ein Aufnahmelager ein. Bereits 1946 lebten dort 1200 Menschen. Die ehemaligen Baracken des Marinelagers wurden weitergenutzt und es entstand eine Barackensiedlung. Bis zu dreißig Personen lebten auf engstem Raum und ohne nennenswerte Privatsphäre – weder konnten die Türen abgeschlossen werden, noch gab es familiäre Toiletten- und Waschbereiche.

Marinelager Tidofeld, 1940
Foto: Nds. Staatsarchiv Aurich
Lagertor Tidofeld, 1948
Foto: Nds. Staatsarchiv Aurich
Baracke 10, Tanzgaststätte "Onkel Pitt", Winter 1950/1951
Foto: W. Größer
Einweihung der Kirchenglocke am 21. Oktober 1951
Foto: Nds. Staatsarchiv Aurich

Das Vertriebenenlager Tidofeld war besonders aufgrund seiner Größe eine Besonderheit. Erklärtes Ziel der britischen Besatzungsmacht war es, die Heimatvertriebenen möglichst gleichmäßig auf Städte, Dörfer und Nachbarschaften zu verteilen. Damit sollte verhindert werden, dass sich alte Dorfgemeinschaften in der neuen Heimat wieder zusammenschließen und auf diese Weise die Integration in die heimische Gesellschaft erschweren.  

Im Falle des Vertriebenenlagers Tidofeld konnte dies jedoch nicht verhindert werden.

Schon bald organisierten sich die Heimatvertriebenen und wählten einen Ausschuss, der ihre Belange gegenüber der Stadt Norden vertrat. Nachfolgend entstanden eine Schule, eine Freiwillige Feuerwehr, ein Fußballverein, eine Gaststätte und im August 1948 wurde schließlich die Barackenkirche eingeweiht. Fortan wurde die Kirche gemeinsam von der evangelisch-lutherischen Kirche, der katholischen Kirche sowie der Baptistengemeinde genutzt – die drei Religionsgemeinschaften hielten dort abwechselnd ihre Gottesdienste ab und teilten sich die laufenden Kosten. Für viele Heimatvertriebene wurde die Kirche zu einem Ankerpunkt in ihrer neuen Heimat.

Der Mangel an Arbeitsstellen – 1951 waren etwa 70 % der Bewohner arbeitslos – führte zu sinkenden Bewohnerzahlen des Vertriebenenlagers. Mit dem gleichzeitigen Einsetzen des sogenannten Wirtschaftswunders verließen viele Heimatvertriebene Tidofeld in Richtung Ruhrgebiet.

Ende der 1950er Jahre – bis zu diesem Zeitpunkt hatten mehr als 6000 Personen das Lager durchlaufen – wurden die Baracken schließlich aufgegeben und durch ortsübliche Häuser aus Klinker ersetzt. Vorangegangen war ein Streit zwischen der Stadt Norden und den Heimatvertriebenen. Die Stadt plante eine neue Siedlung für die Vertriebenen in Nähe der Innenstadt. Die Heimatvertriebenen, unter denen ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl herrschte, wollten diesen für sie wichtigen Ort jedoch nicht aufgeben. Sie konnten sich gegen die Stadt durchsetzen, sodass der neue Stadtteil in Tidofeld entstand.

Die Grundsteinlegung für die Gnadenkirche, dem geplanten Nachfolgebau der Barackenkirche, erfolgte am 15. Juni 1961. Am 
19. Dezember 1961 wurde die Gnadenkirche mit einem Gottesdienst feierlich eingeweiht. Sie diente fortan der evangelisch-lutherischen Kirche. Heimatvertriebene, die Mitglieder anderer Konfessionen waren, schlossen sich den bestehenden Kirchengemeinden der Stadt Norden an.

Baracke 8, November 1951
Foto: Nds. Staatsarchiv Aurich
Siedlungsbau in Tidofeld, Anfang der 1960er Jahre
Foto: W. Gröger
Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld

Die Gnadenkirche wurde bis Mitte der 2000er Jahre von der evangelisch-lutherischen Kirche genutzt, jedoch aufgrund rückläufiger Besucherzahlen im Jahr 2006 offiziell entweiht.

Die bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstandene Idee für die Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld, wurde ab 2005 in Form einer Projektgruppe unter Leitung von dem Superintendenten Dr. Helmut Kirschstein, dem Historiker Prof. Dr. Bernhard Parisius und dem Stadthistoriker Johann Haddinga verfolgt. 2007 wurde mit Pastor Anton Lambertus die Position eines Geschäftsführers besetzt, um noch intensiver an der Realisierung des Projekts arbeiten zu können. 2009 wurde die Projektgruppe schließlich in den Verein Gnadenkirche Tidofeld e.V. überführt und nach acht Jahren der Vorbereitung wurde die Dokumentationsstätte am 2. November 2013 der Öffentlichkeit übergeben. Seitdem wird an einem historischen Ort deutsche und europäische Geschichte sichtbar, Lernen aus der Geschichte wird ermöglicht und die Hoffnung für eine Lehre aus der Geschichte findet ihren Ausdruck.